Teil 1
Ich bin. Als der Mensch sich der eigenen Existenz bewusst wurde, war es damit eben nicht getan. Er wurde sich auch dessen bewusst, dass diese Existenz endlich ist. Schon Gilgamesch klagte darüber, dass die Götter die Unsterblichkeit für sich behielten: „…Denn als die Götter die Menschen schufen, teilten sie den Menschen den Tod zu, das ewige Leben behielten sie für sich selbst.“ Die heute noch vorliegenden Tontafeln, auf denen das Gilgamesch-Epos aufgeschrieben ist, sind fast 2700 Jahre alt. Ursprünge der Erzählung gehen jedoch vermutlich zurück bis in die Zeit, als die Sumerer die Schrift erfanden. Das war vor rund 4500 Jahren.
Seither versuchen die Menschen, die Götter zu überlisten. Bis jetzt mit nur mäßigem Erfolg.
Nicht nur Gilgamesch ist gescheitert auf seiner Suche nach dem Geheimnis des ewigen Lebens, auch der starke und listige Herakles: Die Hesperiden, Nymphen-Schwestern der griechischen Mythologie, hüteten in einem wunderschönen Garten am Rande der damals bekannten Welt einen Baum mit goldenen Äpfeln, den Gaia der Hera zu ihrer Hochzeit mit Zeus geschenkt hatte. Die Äpfel verliehen den Göttern ewige Jugend. Bewacht wurde der Baum durch den hundertköpfigen Drachen Ladon. Diese Äpfel benötigte Herakles für die Erfüllung seiner zwölf Aufgaben. Durch eine List bewog er Atlas, den Vater der Hesperiden, für ihn die Äpfel zu pflücken. Eurystheus, der König von Mykene und Thyrins, der Herakles die 12 Aufgaben auferlegt hatte und dem Herakles die Äpfel übergab, gab sie weiter an Athene, die sie wieder zurück an ihren Platz legte. Also auch wieder nix.
In den Erzählungen vieler Kulturen ist die Rede von einem sagenhaften Paradies, in dem die Menschen in ewigem Glück und ewiger Jugend lebten. Schon immer haben die Menschen versucht, im Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit und der Beschwerden des Alters Methoden zu finden, länger zu leben und länger jung zu bleiben.
Medizin und Anti-Aging im alten Ägypten
Die Geschichte der Medizin ist auch die Geschichte der Anti-Aging-Medizin. Das fing ungefähr vor 3500 Jahre in Ägypten an. Die ersten Ärzte in Ägypten, deren Vorgehen bereits in etwa dem der heutigen Mediziner entsprach, waren jedoch gleichzeitig auch Priester.
Deutlich zu erkennen ist das in dem etwa um 1500 v. Chr. entstandenen Papyrus Ebers, in dem das medizinische Wissen der damaligen Zeit aufgeschrieben wurde. Bei fast jeder dort beschriebenen Therapien werden die aufgeführten Heilmittel von entsprechenden Zaubersprüchen begleitet und es wird ausdrücklich betont, dass nur beides zusammen wirksam ist.
Vorbeugende Maßnahmen waren ebenfalls schon bekannt. Ganz sicher zählte dazu, dass Hygiene, also Körperpflege und Sauberkeit, einen hohen Stellenwert hatten. Nicht nur die Angehörigen der Oberschicht haben sich regelmäßig gewaschen, alle Bewohner des Landes (na ja, ein paar vielleicht auch nicht) haben das getan, sogar mehrmals täglich.
Auch das Wissen über die Bedeutung des Darmes für die Gesundheit war damals zum Teil schon vorhanden. Dieses Thema zieht sich ja durch die ganze Medizingeschichte, besonders durch die der Anti-Aging-Medizin. Wobei wir heute allerdings nicht mehr so rigoros vorgehen wie die alten Ägypter. Die haben nämlich, so sie es sich finanziell leisten konnten, den Darm regelmäßig gereinigt – durch Einläufe aus süßem Bier, Honig und Öl… Sie waren überzeugt davon, dadurch chronische Krankheiten und einen frühen Tod verhindern zu können.
Was äußere Anti-Aging-Maßnahmen angeht, so ist wohl Kleopatra (69 – 30 v. Chr.), die letzte Königin des Ptolemäerreiches, die vermutlich berühmteste Anti-Aging-Kosmetikerin. Sie hat sogar ein Buch darüber geschrieben, ein „Kosmetikon“, das jedoch leider nicht erhalten blieb. Im Gedächtnis der Menschen blieb sie jedoch wohl eher durch ihre täglichen Bäder in Eselsmilch. Darüber mag man lächeln, aber Eselsmilch enthält neben vielen pflegenden Substanzen auch hoch wirksame Antioxidantien. Sie enthält reichlich Q10 in hoher Bioverfügbarkeit. Na, hoffentlich löst dieser Satz jetzt keinen Run auf Eselsmilch aus 😉 .
Anti-Aging-Medizin im antiken Griechenland
Vor rund 2500 Jahren trennte sich in Griechenland die Medizin von den Zaubersprüchen und entwickelte sich auf der Basis der Naturphilosophie weiter. Da ist als erstes wohl ein Name zu nennen, der für uns alle untrennbar mit der Medizin verbunden ist: Hippokrates von Kos (ca. 460 – 370 v. Chr.). Das ist, wie ich an anderer Stelle schon einmal erwähnte, der, der angeblich den Eid für die Ärzte erfunden hat. Er ist aber auch der Begründer einer Medizin, die wissenschaftlich und auf Erfahrungen bezogen ausgerichtet ist. Und er ist wohl auch der Urvater der Anti-Aging-Medizin. Sein Werk, in dem er sich intensiv mit dem Altern und entsprechenden Vorbeugungsmaßnahmen beschäftigte, trägt den Titel „Peri diaties“. Das heißt übersetzt „Von der Lebensweise“. Wenn er darin von Diätetik spricht, meint er eben nicht das, was wir heute Diät nennen. Denn damals bezog sich der Begriff „Diät“ nicht nur auf die Ernährung, sondern auf die gesamte Lebensweise. Das, was wir heute meist „Lebensstil“ nennen. Und – man höre und staune – ganz besonders wichtig war in der Anti-Aging-Prävention des Hippokrates das richtige Verhältnis zwischen Bewegung und Nahrungsaufnahme. Kommt dir doch sehr bekannt vor, oder?
In Griechenland entwickelte sich daraus ein echter Körperkult. Schon den Kindern wurde in den Schulen nicht nur viel Wissen vermittelt, genau so wichtig waren körperliche, gymnastische Übungen. Daher kommt auch das Wort „Gymnasium“ für unsere höheren Schulen. Nein, ich sag jetzt nichts zum Schulsport…
Krankheiten wurden bereits damals nicht mehr religiös erklärt. Der Einfluss des persönlichen Lebensstils auf die Gesundheit war bekannt. Demokrit von Athen (ca. 460 – 380 v. Chr.) schrieb darüber: „Da flehen die Menschen die Götter an um Gesundheit und wissen nicht, dass sie die Macht darüber selbst besitzen. Durch ihre Unmäßigkeit arbeiten sie ihr entgegen und werden so selbst durch ihre Begierden zu Verrätern an ihrer Gesundheit.“ Wenn du dir jetzt überlegst, wie viele Menschen im 21. Jahrhundert ihre Krankheiten immer noch für Schicksal halten…
Bei den römischen Eroberern
Kulturell und naturwissenschaftlich bewunderten die Römer immer die Griechen. Lehrer, Götter (wenn auch unter neuen Namen), Kunst, Philosophie usw. haben sie im Wesentlichen von ihnen übernommen. Nicht nur viele Lehrer, sondern auch die meisten Ärzte in Rom waren Griechen. So auch der einzige, der einiges beitrug zur Weiterentwicklung der Anti-Aging-Medizin, Galenos von Pergamon (ca. 129/131 – vermutlich 216 n. Chr.), uns besser bekannt unter dem Namen Galen.
Er war im Wesentlichen ein Anhänger der Lehre des Hippokrates, die er jedoch weiter entwickelte. Als Modearzt der römischen Aristokratie war er auch bemüht, die Forderungen seiner wohlhabenden Patientinnen nach Mittelchen gegen die äußeren Zeichen der Alterung zu erfüllen. Seine Kaltcreme (Unguentum refrigerans) war ein echter Verkaufsschlager. Sie bestand aus Olivenöl, Rosenöl und Bienenwachs. Das war schon ganz gut, Olivenöl hat durchaus antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften.
Du kannst es ja mal ausprobieren: 50 % Olivenöl, 37,5 % Rosenöl und 12,5 % Bienenwachs. Achte jedoch bei den Zutaten bitte unbedingt auf höchste Reinheit und Qualität. Stelle nur eine kleine Menge her und bewahre sie kühl auf.
Und in einer Sache lag Galen durchaus auf einer Ebene mit den modernen Anti-Aging-Medizinern: In seiner Erkenntnis, dass Wein durchaus positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, auch wenn er zum Beispiel von Resveratrol ganz sicher noch nichts wusste.
Eines muss man den Römern jedoch lassen: Im Wellnessbereich haben sie Hervorragendes geleistet. Die römischen Thermen und öffentlichen Bäder waren ihrer Zeit weit voraus. Auch der festgelegte Ablauf des Aufenthaltes in einer Therme entsprach ungefähr dem, was wir heute noch unter einem Wellnessprogramm verstehen. Römische Bäder beziehungsweise die Überreste davon findet man noch immer im ganzen Gebiet des ehemaligen römischen Reiches.
Leider hielt das nur so lange, bis das Christentum Einfluss auf die Gesellschaft nahm. Da wurde erst mal alles abgelehnt, was man als Luxus und Verweichlichung sehen konnte, so auch das Baden. Augustinus (354 – 430) hat als einer der einflussreichsten Theologen die Ansicht verbreitet, häufiges Baden stünde im Widerspruch zu den asketischen Grundsätzen des christlichen Glaubens, ein Mal im Monat sei wahrlich genug. Also Schluss mit den Thermen und der Wellness. Hauptsache, ich kann mich riechen… 😉
Und so ging es dann auch weiter.
Im zweiten Teil erfährst du mehr über die Wissenschaft vom Jungbleiben beim Altwerden, über die Entwicklung vom „finsteren“ Mittelalter bis in unsere heutige Zeit – mit einem Ausblick in die Zukunft.
Bildquelle: (c) Pontus Edenberg / fotolia.com
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