Demenz – einfach zum Fürchten?
Was ist das für eine Krankheit, die uns so schreckliche Angst macht, im Alter nicht mehr Herr unserer Sinne zu sein? Auch solche Scherze wie „Demenz – das ist doch die Krankheit, bei der man täglich neue Leute kennen lernt?“ täuschen nicht darüber hinweg, dass sie uns den Gedanken an unseren 90. Geburtstag ganz schön vermiesen kann. Also doch alt = krank?
An einer Demenz leiden in Deutschland etwa 1,7 Millionen Menschen – und es werden immer mehr. Schließlich steigt das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, mit dem Alter.Und es gibt in Deutschland eben immer mehr alte Menschen. So leidet im Alter zwischen 65 und 69 Jahren jeder Zwanzigste an einer Demenz, aber zwischen 80 und 90 ist schon fast jeder Dritte betroffen. Weil in unserer Gesellschaft der Anteil älterer Mitbürger zunehmen wird, erwartet man auch eine Zunahme an Demenzkranken. So rechnen Experten für das Jahr 2050 mit rund 3 Millionen Betroffenen. Die Alzheimer-Krankheit macht zwischen 55 und 70 % der weltweit rund 46 Millionen (World Alzheimer Report 2015) Demenzerkrankungen aus.
Die Zahlen und Statistiken über Demenz und Morbus Alzheimer, die mir vorliegen, sind jedoch leider nicht ganz zuverlässig und es gibt Widersprüche zwischen verschiedenen Datenquellen. Möglicherweise gibt es einfach keine wirklich brauchbare Erhebung. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass die Dunkelziffer relativ hoch ist, denn diese Krankheit ist für viele immer noch ein Tabuthema.
Ich bin inzwischen 70. Letzte Woche habe ich wie blöde die eingegangene Post gesucht. Ich wusste genau, dass ich sie aus dem Briefkasten geholt hatte. Und dann? Weg! Am nächsten Tag fand ich sie. Auf einem Karton im Keller. Ach ja… ich war ja vom Briefkasten aus zuerst in den Keller gegangen… Muss ich jetzt fürchten, dass ich Alzheimer im Anfangsstadium habe? Eher nicht. Erstens passieren mir solche Sachen seit Jahrzehnten – schon mein Grundschullehrer (damals hieß das noch Volksschule) sagte, ich würde sicher mal Professor werden, zerstreut genug sei ich schon. Und zweitens habe ich keines der sonst typischen Probleme, wie sie im frühen Stadium einer Demenz auftreten.
Symptome im Anfangsstadium der Alzheimer-Demenz
Im Anfangsstadium der Krankheit haben die Betroffenen wenig Energie, wirken kraftlos und verlieren Spontaneität. Alles Zustände, die jeder von uns zeitweilig kennt und deshalb nichts, weswegen man gleich an Morbus Alzheimer denkt.
Am stärksten eingeschränkt sind die Fähigkeit zum Lernen und das Kurzzeitgedächtnis. Wenn also einer der alten Menschen in deiner Familie
1. immer die gleiche Frage wiederholt
2. immer wieder die gleiche Geschichte erzählt
3. viele Gegenstände nicht mehr findet oder sie an ungewöhnliche Plätze legt und andere Menschen verdächtigt, diese Dinge weggenommen zu haben
4. nicht mehr sicher ist im Umgang mit Geld, Rechnungen, Überweisungen und ähnlichem
5. mit den alltäglichen Verrichtungen zum Beispiel beim Kochen, mit der Fernbedienung des Fernsehers, beim vorher geliebten Rommé oder Skat, nicht mehr zurecht kommt
6. seit einiger Zeit sein Äußeres vernachlässigt, dies aber bestreitet
7. auf Fragen nicht mehr antwortet, sondern die Fragen wiederholt
solltest du mit ihm zum Arzt gehen.
Was passiert im Gehirn eines Menschen, der unter der Alzheimer-Demenz leidet?
Die gängigste Theorie ist immer noch, dass es zu Ablagerungen um das Äußere der Nervenzellen kommt, sogenannte Plaques. Grob gesagt sind das Ablagerungen aus Proteinen, die von Enzymen (sogenannten Sekretasen) gespalten wurden. Dadurch wird das Beta-Amyloid-Peptid freigesetzt, das sich dann dort ablagert. Vergleichbares geschieht aber auch in den Nervenzellen, wo sich sogenannte Fibrillenbündel bilden, die wie verdrehte Faserbänder aussehen. Im Verlauf der Krankheit sterben immer mehr Nervenzellen ab. Das ist jedoch nur eine der Theorien. Andere gehen von Entzündungen als Grundursache aus, wieder andere machen Pilzinfektionen verantwortlich für die Entstehung einer Alzheimer-Demenz. So zum Beispiel Professor Luis Carrasco vom Zentrum für Molekulare Biologie in Madrid.Er konnte tatsächlich im Gehirn eines verstorbenen Alzheimerpatienten Pilzzellen nachweisen. Er fand diese vermehrt im Entorhinalen Kortex und im Hippocampus. Das sind zwei Hirnregionen, in denen man bei einer Alzheimer-Demenz schon relativ früh Anzeichen der Krankheit finden kann.
Gleichzeitig ist aber auch ein verstärkter Abbau von Acetylcholin zu erkennen. Acethylcholin ist ein sogenannter Neurotransmitter. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die für die Übermittlung von Informationen zwischen den Nervenzellen zuständig sind. Bei Mangel an Acethylcholin funktioniert der Informationsaustausch über die Synapsen im Gehirn nicht mehr richtig.
Des weiteren gibt es seit einiger Zeit die These vom Morbus Alzheimer als Diabetes mellitus Typ III. Sie scheint sich durch Versuche mit Ratten, bei denen der Insulin-Rezeptor im Gehirn ausgeschaltet wurde, zu bestätigen. Die Versorgung des Gehirns mit Glucose wurde dadurch stark eingeschränkt. Glucose ist jedoch der wichtigste Energielieferant für die Gehirnzellen. Das bewirkte bei den Ratten sehr starke Einschränkungen des Gedächtnisses. Wenn sie dann jedoch Galaktose erhielten, blieben die Gedächtnisstörungen aus. Und auch bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie sowie bei Insulin-resistenten Diabetikern haben sich Galactose-Gaben bewährt.
Besteht Aussicht auf Heilung oder Vorbeugung?
Bis heute leider noch nicht. Es gibt noch keine Möglichkeit, die Krankheit zu heilen, man kann sie lediglich verlangsamen. Seit Jahren wird nach einem Impfstoff geforscht, der zum Beispiel die Ablagerung der Eiweißstoffe verhindern soll. Bisher ohne Erfolg.
Geforscht wird überhaupt ohne Ende. Es gibt ja auch eine ganze Reihe von Theorien, also reichlich Arbeit für die Wissenschaft. Wobei man wohl davon ausgehen kann, dass es den einen, einzigen Auslöser von Alzheimer und anderen Demenzformen nicht gibt. Es kommen wohl immer mehrere zusammen. Das macht es natürlich nicht gerade einfacher.
Forscher aus Bonn gehen davon aus, dass sie einen wesentlichen Schritt weiter gekommen sind: Das hängt zusammen mit einer Veränderung des Tyrosins im Amyloid beta durch Stickoxide. Wie Prof. Dr. Heneka, der Sprecher der Forschergruppe, sagt, fördert dieses Tyrosin die Neigung des Beta-Amyloid, Plaques zu bilden, und beschleunigt die Ablagerung des Eiweißes. Die Schlüsselrolle des Enzyms fanden die Wissenschaftler in Experimenten mit Mäusen heraus. Ob die Ausschaltung des Gens für NOS2 oder der Hemmstoff „L-NIL“ tatsächlich eine neue Behandlungsmöglichkeit für Alzheimer-Patienten darstellt, müsse jedoch erst noch in zahlreichen Tests geklärt werden, sagt der Bonner Wissenschaftler. Bei den Mäusen hat es funktioniert…
Auch in Leipzig und Halle wird geforscht nach einer Möglichkeit, ein Medikament gegen die Alzheimer-Krankheit zu finden. Hier scheint die Gruppe von Forschern um Prof. Dr. Roßner ebenfalls einer Lösungsmöglichkeit näher gekommen zu sein. Sie fanden einen Zusammenhang zwischen der Ablagerung bösartiger Amyloid-Peptide und dem Enzym Glutaminyl-Zyklase. Dieses scheint für verschiedene Formen der Protein-Ablagerungen verantwortlich zu sein. Nun sucht man nach einem Wirkstoff, dieses Enzym zu hemmen, um die Bildung der bösartigen Form des Amyloids und die krankhaften Ablagerungen zu verhindern, ohne die für gesunde Menschen wichtige Funktion der normalen Amyloid-Peptide zu beeinträchtigen Die Forscher rechnen jedoch nicht mit einem schnellen Erfolg. Sie gehen davon aus, dass es noch mindestens 6 – 8 Jahre dauern wird, bis sie ein anwendbares Ergebnis vorliegen haben.
Einen hoch interessanten Ansatz hat auch Prof. Jens Pahnke vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Rostock gefunden. Er sagt, bei einem gesunden Organismus funktionieren sogenannte Transportermoleküle als eine Art Müllabfuhr und sorgen dafür, dass diese toxischen Stoffe, die Plaques, auch wieder aus dem Gehirn herausbefördert werden. Im höheren Alter verlangsamen sich die Stoffwechselprozesse im Körper. Die Zellen können dann auch nicht mehr genug Energie produzieren, um die Transporter damit entsprechend zu versorgen. Jetzt arbeiten die Forscher daran, Wirkstoffe zu finden, die diesen Transporter (ABCC1) zu aktivieren. Dabei spielt das griechische Eisenkraut – Sideritis scardica – eine große Rolle. Im Versuch mit Mäusen konnten die giftigen Eiweißablagerungen durch das griechische Eisenkraut um knapp 80 % reduziert werden. Professor Pahnke trinkt diesen Tee natürlich auch selbst. Ihm schmeckt er. Mir übrigens auch.
Und in Bezug auf die Theorie von Alzheimer als Diabetes Typ III gibt es ein Forschungsprojekt an der Berliner Charité.
Der Zusammenhang zwischen dem persönlichen Lebensstil und dem Alzheimer-Risiko
Das einzig sicher Vorgegebene im Leben ist der Tod. Alles andere sind Kann-Bestimmungen. Das heißt, dass wir wie immer in unserem Leben sehr vieles beeinflussen können. Einen Teil bestimmen unsere Gene – ungefähr 30 % – den Rest bestimmen wir durch unseren Lebensstil. Genau so ist es auch in Bezug auf das Risiko, Alzheimer zu bekommen. Und wen wundert’s – es sind wieder die üblichen Verdächtigen, die auch auf das Alzheimer-Risiko den größten Einfluss nehmen: falsche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel, Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen, zu viel Alkohol…
Manchmal krieg ich einfach die Krise, wenn ich die Menschen beim Einkaufen sehe. Übergewichtig und dann nichts als Junk-Food im Wagen. Am liebsten würde ich denen… aber das nützt ja nicht wirklich. Im Gegenteil, das wäre wohl der schlechteste Weg, Menschen dazu zu bewegen ihre Gewohnheiten zu ändern.
Wie du selbst Demenz vorbeugen kannst
Immer und immer wieder, bei so vielen Krankheiten, wiederhole ich nahezu gebetsmühlenartig das Gleiche:
Liebe Leserin, lieber Leser, bitte bewege dich möglichst viel, am besten täglich, zumindest aber dreimal in der Woche. Forscher der Columbia Universität in New York fanden heraus, dass ausreichende (!) Bewegung das Alzheimer-Risiko um über 30 % senkt.
Ernähre dich bitte möglichst gesund. Also ausreichend Obst und viel Gemüse, roh oder gekocht, Vollkornprodukte, gesundes Fett wie Olivenöl, Kokosöl, Hanföl etc. Wenn du Fleisch isst, kaufe bitte nur Bio-Fleisch aus natürlicher Aufzucht, Fisch aus nachhaltiger Fischerei, keine Fertiggerichte in Tüten, Dosen, Beuteln. Koche selbst aus frischen Produkten, möglichst in Bio-Qualität. Und wenn du wenig Zeit hast – es gibt gute Rezepte, für die man nur 15 – 30 Minuten braucht. Das solltest du dir wert sein.
Dr. James A. Duke, ehemaliger Direktor des Medicinal Plant Resources Laboratory, schwört außerdem auf Pflanzen aus der Familie der Lippenblütler, das sind zum Beispiel Minze, Basilikum, Rosmarin, Thymian, Oregano, Lavendel, Salbei, Zitronenmelisse usw. Kennst du doch alles aus der Küche, oder? Das Interessante an diesen Pflanzen ist, dass die meisten davon mindestens ein halbes Dutzend Stoffe enthalten, die den Abbau von Acetylcholin verhindern, dem oben schon erwähnten Neurotransmitter. Er mischt sich daraus seinen täglichen Tee…
Immerhin wäre nach den vorliegenden Studienergebnissen über die Hälfte der Erkrankungen an Morbus Alzheimer durch einfache Änderungen im Lebensstil vermeidbar.
Ganz klar, jetzt kommt als dritter Punkt zur Senkung des Alzheimer-Risikos ein weiteres meiner Lieblingsthemen: Lebenslanges Lernen. Es steht vorweg schon mal fest, dass Menschen mit einem höheren Bildungsgrad wesentlich seltener an den Auswirkungen und Symptomen der Alzheimer-Krankheit leiden. Die Ergebnisse eines amerikanischen Forschungsprojektes zeigten, dass z. B. das Gehirn durch einen höheren Bildungsgrad eher in der Lage ist, die Ausfälle einzelner Hirnzellen oder entsprechender Regionen zu überbrücken. Demnach scheint lebenslanges Lernen wichtig zu sein, um der Manifestation von Alzheimer vorzubeugen. Also füttere dein Gehirn ständig mit neuen Eindrücken und Anforderungen. Halte es wach und lebendig. Ein unterbeschäftigtes Gehirn ist auch eines, das schneller abbaut.
Der vierte Punkt ist noch relativ neu. Zwar ist Meditation inzwischen auch in unserer westlichen Welt immer mehr Menschen vertraut als spirituelle Praxis, um den Geist zu beruhigen und Stress abzubauen. Doch inzwischen gibt es Studien, in denen mit dem Kernspintomographen die Gehirne von gestressten Menschen untersucht wurden, die meditierten. Und aus den bisher gewonnenen Daten kann man schließen, dass das Gehirn dadurch langsamer altert. Menschen, die regelmäßig meditieren, bleiben länger geistig frisch als solche, die nicht meditieren.
Karl Philipp Rumpf geht in seiner Dissertation über Meditation und Hirnalterung (Gießen 2016) nach der Betrachtung relevanter Studien davon aus, dass Meditation direkt oder indirekt die Telomeraseaktivität erhöhen und so stressinduziertes zelluläres Altern möglicherweise reduzieren könnte (s.a. Innes und Selfe 2014). Auch die Länge der Telomere kann durch Meditation in relativ kurzer Zeit sogar zunehmen. In den meisten Fällen ging es dabei um Aufmerksamkeitsmeditation (MBSR = Mindfullness-Based Stress Reduction). Dabei konnten, auch mit Hilfe von bildgebenden Verfahren, bei verschiedenen Hirnregionen wie dem frontalen Cortex, der Amygdala, dem DMN (Default Mode Netzwerk) und dem Inselcortex positive Veränderungen unter dem Einfluss von Meditation beobachtet werden. Und das sind gleichzeitig Hirnregionen, die bei Menschen mit Demenz gewöhnlich schrumpfen.
Daraus kann man schließen, dass Hirnalterungsprozesse durch Meditation positiv beeinflussbar sind. Auch die Auswertung von MRT-Bildern ergab einen Zusammenhang zwischen Meditation und der Gehirnalterung. Das heißt, je länger jemand meditiert, desto jünger bleibt sein Gehirn. Das unterstreicht die Bedeutung der Meditation auch bei der Demenz-Prävention.
Auch wenn die bisher durchgeführten Studien nicht wirklich perfekt waren, halte ich Meditation als Methode zur Demenz-Prävention für eine großartige Möglichkeit, denn jeder kann es tun, es kostet nicht unbedingt Geld oder nur sehr wenig und hat weder Risiken noch Nebenwirkungen, sondern nur positive Auswirkungen. Du brauchst dazu einfach, wie auf so vielen Gebieten, den ernsthaften Willen, etwas für dich zu tun, eine gute Anleitung und Durchhaltevermögen. Wenn du alle Vorteile haben willst, solltest du es auch jeden Tag machen, wieder und wieder und wieder, bis es zur unverzichtbaren Gewohnheit geworden ist.
Schon Sebastian Kneipp wusste: “Wer heute keine Zeit für seine Gesundheit hat, wird später viel Zeit für seine Krankheiten brauchen.”
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